Trickreichtum: “Das war doch nur Spaß!”

Eine Hilfestellung zum Disqualifizieren

 

In meiner Tätigkeit als Schiedsrichter habe ich leider mehr als eine Disqualifikation durchführen müssen. Auf den großen Turnieren übernehmen in solchen Fällen die Head Judges – Schiedsrichter mit langjähriger Erfahrung, die schon das eine oder andere Kuriosum zu erzählen haben, wenn es um Spielerverhalten geht, das nicht tragbar ist.

Aber was, wenn man nicht auf einem großen Turnier ist? Was, wenn man selbst gerade eine solche Geschichte erlebt?

Ich möchte euch also anhand einiger Geschichten die mir (so oder ähnlich) selbst passiert sind zeigen, weshalb ich disqualifiziert habe. Danach möchte ich Euch noch einige Hinweise mitgeben, die euch das Leben erleichtern können, falls ihr ebenfalls einmal in die Situation kommt, eine Untersuchung und eine daraus resultierende Disqualifikation durchzuführen zu müssen.

 

Mauer der Betrügerei

Mein erster Fall in dem ich eine Person disqualifiziert habe war zu Zeiten von Shards of Alara, auf einem Conflux Limited Turnier.
Ein Spieler kam zu uns nachdem er ein Spiel verloren hatte und sagte “Ich will ja nichts anzetteln, aber das ist jetzt der vierte Draft mit diesen Editionen und ich muss zum vierten mal gegen Person A spielen und ich verliere zum vierten mal gegen Wall of Reverence. So viel Glück kann doch niemand haben, die vier mal im Draft zu haben.”
Der Turnierveranstalter und ich sahen uns an und überlegten, was wir tun würden. Wir befragten also, während das Turnier lief, die sieben Personen außer Person A, die an diesem Tisch gedraftet hatten. Wir ließen uns ihre mythischen und seltenen Karten zeigen, und auch die Foilkarten, damit wir eine genaue Anzahl der seltenen Karten hatten. Wir befragten die Spieler auch, welche Karten sie weitergegeben hatten. Zuletzt sahen wir uns das Deck von Person A an. Das Ergebnis war, dass wir auf eine mythische oder seltene Karte zu viel im Kartenpool kamen.
Darauf haben wir Person A zu einem Gespräch gebeten. Während dieses Gesprächs hat diese Person uns erst gesagt, dass die Karte von jemandem im Draft weitergegeben worden sei. Durch unsere Recherche hatte sich aber ergeben, dass dies nicht der Fall war. Darauf angesprochen meinte Person A dann, dass der Fehler durch die Verwendung der Schutzhüllen vom letzten Turnier “wohl reingerutscht” sei. Als wir darauf zu sprechen kamen, weshalb nicht bei Entdeckung des Fehlers sofort ein Schiedsrichter gerufen wurde, haben wir dann leider nur noch Ausreden zu hören bekommen.
Wir haben die betroffene Person unter anderem disqualifiziert, weil wir angelogen wurden und wir uns zu diesem Zeitpunkt sicher waren, dass die Karte vorsätzlich ins Deck gebracht wurde.

 

Fünf ist ein Playset

In diesem Szenario spielte Person B ein Burn Deck. Eine der stärksten Karten in dieser Art von Deck ist Lightning Bolt. Kurios an dieser Stelle war, dass der Fehler aufgefallen war als der Gegner ein Extirpate auf Person B gespielt hat. B hat darauf gesagt, dass vier Kopien von Lightning Bolt im Deck wären. Der Gegner hat sich das Deck aber nochmal angesehen um herauszufinden, ob er noch auf andere Karten aufpassen muss. Dabei ist er dann über den fünften Lightning Bolt gestolpert und hat uns gerufen.
Wir haben uns die Situation von beiden Beteiligten getrennt voneinander angehört. Person B hat leider nicht sehr viel dazu beigetragen, zu klären, wieso da fünf Lightning Bolts im Deck waren. Da auch andere Spieler gehört hatten wie gesagt wurde, es wären nur 4 Kopien der Karte im Deck, sind wir davon ausgegangen das B hier betrügen wollte.

 

Mulligan auf eins

Diese Geschichte ereignete sich in einer Top 8 im Finale. Beide Spieler wussten, dass Spieler C das Match nicht verlieren kann. Trotzdem, die Gegnerin wollte nicht aufgeben und nachdem C bereits ein Spiel vorne lag sagte er zu seiner Gegnerin “Komm, gib mir 5 Euro und ich nehme Mulligan auf eine Handkarte.”
Diese Form von Disqualifikation ist eine der schwierigsten, die einem unterkommen können. Man hat als Schiedsrichter, der am Tisch sitzt, alles gehört. Die Regeln sind eindeutig: Hier wurde ein Angebot gemacht, ein Spiel zu beeinflussen und dafür eine Gegenleistung zu erhalten.
Was diese Form von Disqualifikation so schwierig macht, ist die Argumentation des Spielers. “Das war doch nur Spaß. Du sitzt doch daneben, so blöd wäre ich nicht, das zu machen wenn du daneben sitzt.” So oder ähnlich klingt die Begründung in diesen Situationen häufig.
Das Problem an dieser Stelle ist nicht, dass der Spieler einen Spaß machen wollte. Ich war ziemlich sicher, dass der Spieler nur einen Spaß gemacht hat, aber er hat etwas getan, das von den Regeln verboten wird. Wenn ich die Sache als “Spaß” gut sein lassen würde, könnte ich kein Turnier mehr schiedsrichtern, denn jeder, der etwas Verbotenes tut, würde sich auf “Spaß” berufen.
Essenziell ist hier festzuhalten, dass auch Spaß an der falschen Stelle bestraft werden muss.

 

Gideon, Champion der Sprache

Ziemlich einfach dagegen war dieser Fall. In einem Gatecrash Draft wurden wir an einen Tisch gerufen, und der Spieler, der nach uns verlangt hatte, tippte auf den Gideon, Champion des Rechts einer anderen Person im Draft. Wir lasen uns die Karte durch und fragten, was das Problem sei, worauf wir darauf aufmerksam gemacht wurden, dass es sich um eine deutsche Karte handelte. Jedoch waren alle Turniere, die in diesem Laden stattgefunden hatten, immer mit englischen Boostern durchgeführt worden.
Also ein ziemlich eindeutiger Fall: Die Karte wurde hinzugefügt. Trotzdem befragten wir natürlich Person D, der dieser Gideon gehört, wie und warum die Karten in den Draft gemogelt wurde. Die Antwort war, das das Gefühl, die anderen Decks seien immer sehr viel stärker als das von Person D, was diese Person überzeugt sein ließ, die Gegner würden betrügen und so sei der eigene Betrug gerechtfertigt.

 

Kannst du mal bitte weggehen?

Diese war wohl eine meiner folgenreichsten Disqualifikationen. Die Situation ist das Rundenende und zwei Paarungen spielten noch. Sie saßen auf etwa gleicher Höhe an parallelen Tischreihen, also sehr entspannt von einem Schiedsrichter abzudecken.
Nachdem nun Paarung eins fertig war, drehte ich mich um und setzte mich zur letzten Paarung. Daraufhin bat mich Person E, dass ich weggehe. Wenn man schon ein paar Turniere geschiedsrichtert hat, weiß man an dieser Stelle, dass man der Aufforderung nicht nachkommen sollte. Als ich mich also weigerte zu gehen, entfuhr Person E der Ausruf “Ich hatte ihn fast soweit!”. An dieser Stelle war ich mir bereits sicher, dass etwas regelwidriges passieren sollte. Ich brachte also beide Spieler dazu, weiter zu spielen und das Spiel endet unentschieden.
Ich holte mir direkt im Anschluss den Gegner von Person E und befrage diesen. Während der Befragung kam heraus, dass E sich mit ihr darüber unterhalten hat, dass ein Unentschieden beiden nichts nützen würde und dass es doch besser wäre, wenn einer aufgebe. Auf diese Geschichte angesprochen hat Person E zugegeben, dass er den Gegner zum aufgeben bringen wollte und er diesem danach einen Teil des Preises geben wollte. Hier war also wieder Bestechung der Grund für unsere Disqualifikation.
Leider wurde er Spieler in der Folge der Disqualifikation für ein paar Monate suspendiert, was mir einerseits einen gewaltigen Hasspost auf Facebook eingebracht hat und andererseits auch viele lange Gespräche mit Leuten, die – ohne alle Details zu kennen – davon überzeugt waren, dass meine Entscheidung hier falsch war.

 

Keine Gegenstände auf dem Tisch!

Mittlerweile, wenn ich auf einem Turnier Schiedsrichter bin und es einen Booster Draft gibt, verbanne ich alle Gegenstände, egal welcher Art, die nicht Teil des Draftes sind vom Tisch. Smartphone? Weg. Getränkeflasche? Weg. Spielmatte? Weg. Warum das so ist? Ich musste bereits Spieler disqualifizieren, die nach meiner Überzeugung Karten aus dem Draft geklaut hatten.
Einmal wurde ich an den Tisch gerufen, da einem der Spieler aufgefallen war, dass er einen Booster mit zu wenig Karten erhalten hatte. Trotz Suche war die Karte nicht aufzufinden. Der Tisch selbst war bis auf eine Packung Kartenhüllen leer gewesen. Als ich daher den Eigentümer der Packung, Person F, fragte, weshalb die Packung dort sei, wurden mir die gedrafteten Karten von Person F gezeigt, die scheinbar direkt beim Draft in Hüllen gesteckt worden waren, woraufhin ich mir die Packung geben ließ. Person F gab sie mir und sagte, es seien keine Karten darin. Ich brauche vermutlich nicht zu erwähnen, dass ich dennoch eine Karte in der Hüllenbox gefunden habe. In der Befragung hat Person F leider nicht dazu beigetragen, aufzuklären wie eine Magickarte in die Hüllenverpackung auf dem Tisch kam, obwohl dort doch angeblich keine Karten drin seien.
Wir haben die Person wegen Diebstahls von Turniermaterial disqualifiziert.

 

Venser Sleeves

Diese Geschichte ist mir während eines Deckchecks passiert. Wenn ich einen Deckcheck mache, lege ich im Normalfall alle Karten aus und identische Karten zueinander. Wenn ich dann sichergestellt habe, dass die Liste korrekt ist und mit dem Deck übereinstimmt, drehe ich die Karten um. Dann suche ich nach Markierungen. Wenn Markierungen identischer Natur auftauchen, nehme ich die Karten heraus und schaue, um welche Karten es sich handelt. Treffe ich dann auf die maximale Anzahl, die ein Spieler von einer Karte hat und es handelt sich um eine für das Deck relevante Karte, starte ich im Normalfall eine Untersuchung.
Im genannten Fall war ich allerdings nicht der Head Judge sondern nur ein Mitglied des Deck Check Teams. Es wurden uns zwei Decks gebracht und ich bekam eines der Decks, um einen Deck Check durchzuführen. Das Deck war in Venser, the Sojourner Hüllen eingepackt. Wenn ich Motivhüllen sehe, stelle ich mir immer eine Frage beim kontrollieren der Rückseiten: “Wie, was und wo würde ich markieren, wenn ich betrügen wollte?”
Ich habe also erstmal nachgesehen, ob in Vensers Augen kleine Fineliner-Punkte sind. Nichts. Dann habe ich mir im Hintergrund des Bildes die Strukturen angesehen und habe auf vier Karten einen identischen Fingernagel-Abdruck gefunden. Es handelte sich um vier Show and Tell, die identische Markierungen hatten. Wir haben uns dann noch einen weiteren Helfer organisiert, um sicher zu gehen, dass es keine Einbildung war, was wir da gesehen hatten. Tatsächlich war unser zweiter Helfer in der Lage, weitere Karten mit einzigartigen Markierungen herauszufinden.
Der Head Judge hat Person G, der das Deck gehörte, dann zu sich gerufen und nach einem längerem Gespräch dann auch disqualifiziert.

 

Tipps für Eure Untersuchungen

  • Gebt dem Organisator frühzeitig Bescheid, dass ihr ermittelt. Zum einen seid ihr eventuell alleine auf einem Turnier mit 20 Leuten und es kann zu Unterbrechungen kommen, was eure Arbeit sowohl bei der Untersuchung, als auch beim normalen Turnierablauf gewaltig stören kann. Zum anderen ist es der Ruf des Organisators, der unter Umständen unter negativem Feedback nach einer Disqualifikation leidet. Es ist also nur gut, wenn er Informationen hat, mit denen er sich verteidigen kann.
  • Sucht euch eine neutrale zweite Person. Das kann der Turnierveranstalter sein oder eine andere Vertrauensperson, der ihr ein neutrales Urteil zugesteht. Während eurer Untersuchung werdet ihr unter Umständen einiges erzählt bekommen. Es ist also hilfreich, wenn ihr noch jemanden habt, der vielleicht auf Körpersprache und Verhalten der untersuchten Personen achten kann.
  • Macht euch Notizen. Ihre werdet eine Menge erzählt bekommen. Es ist also gut, nochmal alles Gesagte zu notieren.

 

Falls es zu einer Disqualifikation kommt

  • Notiert euch die Namen der Beteiligten
  • Notiert DCI Nummern der Beteiligten
  • Notiert die Sanktionierungsnummer des Turniers
  • Holt euch die E-Mail Adressen der Beteiligten. Es kann immer sein, dass das Komitee, welches die Disqualifikationen beurteilt, nochmal Fragen zu Details hat. Es hilft also auf jeden Fall dem Prozess auch weiter, wenn sich noch andere damit befassen müssen.
  • Lasst alle Beteiligten einen Zettel ausfüllen, in dem die eigene Sicht der Erlebnisse geschildert ist. Die Beteiligten sollen eine Möglichkeit haben, sich selbst zu schildern. Dies muss auch nicht auf Englisch geschrieben werden, sondern gerne in der Sprache, die der Autor oder die Autorin sich wünscht. Lest diese Stellungnahmen nicht, bevor ihr nicht euren eigenen Report zur Disqualifikation abgegeben habt.

 

Nicht vergessen

  • Ihr müsst nichts beweisen können, um einen Spieler zu disqualifizieren. Wenn ihr glaubt es ist wahrscheinlicher, dass ein Verstoß mit DQ-Strafe begangen wurde, als dass dieser nicht begangen wurde, solltet ihr im Sinne der Turnierintegrität und -sicherheit, sowie im Einklang mit den Regeln eine Disqualifizierung aussprechen.
  • Das unzulässige Bestimmen eines Gewinners, Bestechung und Wetten, aggressives Verhalten, Diebstahl von Turniermaterial, absichtliches Aufhalten des Spielflusses und Betrug gelten als nicht tolerierbares Verhalten. Für diese Handlungen wird man disqualifiziert, egal um welche Art von Turnier es sich handelt.
  • Wenn ihr die Regeln so anwendet, wie sie sind, seid ihr als Judges auf der sicheren Seite. Im IPG ist festgeschrieben, wofür eine Disqualifizierung vorgeschrieben ist und warum dies so ist. Bevor ihr eine DQ aussprecht, stellt sicher, dass ihr im Einklang mit diesem Dokument handelt.
  • Alle offiziellen Dokumente und weitere Informationen zum Disqualifikationsprozess findet ihr hier.

 

Artikel von Sebastian Hausmann Redaktionelle Bearbeitung von Daniel Maier