Zu seinen Fehlern stehen

Im Original von Derek J. Barbee aus Washington (USA)

Im Original von Derek J. Barbee aus Washington (USA)

Vor kurzem war ich bei einem Turnier, das eines der schwierigsten, demütigendsten und peinlichsten Turniere meiner Judgelaufbahn war. Ich hatte ein paar Kontakte mit Spielern und Umsetzungen der Regeln, die ich rückblickend hätte besser machen sollen. Wenn ich das Turnier nochmal durchführen könnte, würde ich vieles anders machen. Da ich aber offensichtlich keinen Zeitumkehrer habe, um das auch zu tun, muss ich eben aus meinen Fehlern lernen, um in Zukunft ein besserer Judge zu sein.

 


Ich habe in meiner Judgelaufbahn bemerkt, dass die Mehrheit der Dinge, die ich als Fehler bezeichnen würde, wie zum Beispiel die, die ich während dieses Turniers gemacht habe, ähnliche Ursachen haben. Wenn ich einen Fehler mache, ist es oft deswegen, weil ich mir Sorgen mache, wie mein Urteil mich, die Spieler oder das Turnier selbst beeinflussen wird. Dadurch wird mein Urteil auf eine bestimmte Art und Weise beeinflusst, sodass ich nicht unbedingt das richtige Urteil fälle. Ich glaube, dass die meisten Judges diese unterschwelligen, irreführenden Ängste teilen oder auch schon erlebt haben. Im Rahmen dieses Turniers möchte ich drei dieser Ängste diskutieren: Die Spieler enttäuschen, sich blamieren und sich selbst enttäuschen.

Angst Nr. 1: Die Spieler enttäuschen

Ich bin Judge geworden, um anderen zu helfen und ich bin bestimmt nicht der Einzige, der diesen Beweggrund hat. Ich habe früh erkannt, dass es mich extrem befriedigt, wenn ich anderen Menschen helfen kann, Spaß an dem Spiel zu haben, das ich so liebe. Es ist zwar wichtig die Zufriedenheit der Spieler stets im Hinterkopf zu haben, aber es ist genauso wichtig zu überlegen, wie dieser Gedanke dem Gelingen deiner Turniere im Weg stehen kann.

Ich möchte, dass jeder eine schöne Zeit verbringt, glücklich ist und Magic spielt. Deshalb habe ich Probleme damit, Spielern schlechte Nachrichten zu überbringen. Dieses Problem führt oft dazu, dass ich ein Urteil fälle, das nicht hart genug ist. Obwohl man als Head Judge das Recht hat, vom IPG abzuweichen, heißt das nicht, dass man es tun sollte, nur weil man es kann.

Das Turnier, von dem ich spreche, war ein Pauper Turnier und viele Teilnehmer haben das Format noch nie gespielt, da es eigentlich ein Onlineformat ist.

Eine Spielerin kam nach einer der ersten Runden nervös zu mir und teilte mir mit, dass sie eine Rare-Karte spielt. Ihr Bruder hatte kurz vor Turnierbeginn vorgeschlagen diese Karte zu spielen und die Spielerin hat dann eine andere Karte auf ihrer Deckliste durchgestrichen und diese Karte hinzugefügt. Nachdem sie ihr Erstrundenmatch beendet hatte, haben sie ihr Deck durchgeschaut und der Gegner hat ihr mitgeteilt, dass die entsprechende Karte nicht legal war. Die Karte wurde im Match der beiden nicht gezogen und er hatte das Spiel verloren. Sie kam mit ihrem Gegner direkt zu mir als sie das Problem bemerkt haben.

Sie war offensichtlich sehr nervös und fühlte sich unbehaglich und es war ihr erstes kompetitives Turnier. Wegen ihrer Unerfahrenheit, der Tatsache, dass sie mich angesprochen hat (anders als wenn ich das bei einem Deckcheck herausgefunden hätte) und weil ihr Bruder derjenige war, der ihr geraten hat, die Karte ins Deck zu tun, hab ich mir eingeredet, dass es okay ist, das Deck-/Decklistenproblem von einem Game Loss auf ein Warning runterzustufen. Manches davon sind die richtigen Gründe für die Runterstufung und andere sind es nicht. Während die Zufriedenheit der Spieler sehr wichtig ist, muss es dennoch eine Grenze geben, die es allen erlaubt eine schöne Zeit zu verbringen und die sicherstellt, dass mit potenziell zwielichtiges Verhalten entsprechend geahndet wird.

Weil ich Angst hatte, ihr schlechte Nachrichten (in diesem Fall eine harte Strafe) zu überbringen, habe ich ein Urteil gefällt, das wahrscheinlich falsch war.

Mögliche Lösung Nr. 1: Ruf dir vor Augen, warum Penalties (Strafen) existieren

Der Zweck von Penalties besteht nicht darin, “unartige” Spieler zu bestrafen.

Der Zweck eines Penalties liegt darin, Spieler dazu zu bringen, ähnliche Fehler in Zukunft nicht zu wiederholen. Das passiert zum einen durch die Erklärung wie und wann die Regeln oder Regularien verletzt wurden und durch den Penalty, um das Gelernte zu untermauern. Penalties sollen einerseits jeden anderen Spieler im Turnier abschrecken und belehren und andererseits werden sie auch protokolliert, um das Verhalten von Spielern im Lauf der Zeit festzuhalten.


Es mag auf den ersten Blick schwer zu verstehen sein, aber einer der Hauptgründe hinter dem Verhängen eines Penalties ist der, den Spielern zu helfen. Und zwar nicht nur den Gegnern von Spielern, die gegen die Regeln verstoßen, sondern sie sollen auch Spieler anleiten, besser zu spielen. Ich habe lange privat auf Casual-Niveau gespielt bis ich das erste Mal an einem sanktionierten Event teilgenommen habe und da gab es dann einiges, das ich falsch gemacht habe, weil es zu Hause nie nach einem großen Fehler aussah.
“Oh, ich habe aus Versehen eine Karte zuviel gezogen. Ich leg’ wieder eine zurück.” Als ich das erste Mal deswegen ein Spiel verloren habe, hatte das einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Ich wurde ein besserer Spieler und spielte deswegen auch aufmerksamer.

Manchmal muss man ein paar Spiele verlieren oder an einen Judge geraten, der einem kein “Zurücknehmen” erlaubt, bevor man sich als Spieler weiterentwickelt. Wenn man als Judge jemand wirklich schlechte Nachrichten überbringt, kann derjenige frustriert, enttäuscht oder sogar wütend sein. Manchmal richten sie diese Emotionen auf dich und wenn ein Teil von dir vor diesen Aggressionen zurückweicht, kann es schwierig werden, deine Position durchzusetzen. Die Leute, die den IPG formuliert haben, sind sich dieser Tatsache durchaus bewusst und es lohnt sich den folgenden Abschnitt aus dem “Allgemeinen Philosophie”-Kapitel noch einmal durchzulesen:

“Der Head Judge darf von den in diesem Dokument beschriebenen Vorgehensweisen nicht abweichen, außer unter erheblichen und außerordentlichen Umständen, oder wenn auf eine Situation keine der in diesem Leitfaden aufgeführten Philosophien als Leitlinie anwendbar sind. Erhebliche und außerordentliche Umstände sind selten – ein Tisch stürzt um, eine Boosterpackung enthält Karten aus einer falschen Erweiterung, usw. Der Rules Enforcement Level, die aktuelle Runde des Turniers, das Alter oder die Erfahrung eines Spielers, der Wunsch, einen Spieler zu belehren sowie der Level des Judges sind KEINE außerordentlichen Umstände. “

Jedes Mal den netten Kerl zu spielen, wenn man einem Spieler hart aburteilen muss, ist kein gutes Judging. Die Penalties existieren aus gutem Grund und es ist wichtig, dies im Kopf zu behalten. Falls du jedes mal versuchst den leichten Weg zu gehen, schaffst du damit einen schlechten Präzedenzfall für deine Spieler. Wenn du deine Spieler jedes Mal davonkommen lässt, wenn sie einen Fehler machen, ersparst du ihnen damit keine schlechte Erfahrung, du schiebst sie nur auf, eventuell verstärkst du sie sogar. Das erste Mal, wenn sie in einem anderen Laden spielen und ein Judge ihnen erklärt, dass das, was sie gerade getan haben, zu einem Game Loss führt, werden sie sogar noch wütender und verwirrter sein, da du ihnen erklärt hast, dass das, was sie getan haben, okay ist. Auch wenn es hart ist der Überbringer schlechter Nachrichten zu sein, ist es für deine Spieler und die gesamte Community besser, wenn du die Penalties so durchsetzt, wie es der IPG vorsieht. Die Spieler werden dadurch stärker und werden nicht böse überrascht, wenn sie in einem anderen Turnier spielen, in dem sie nicht von deinen überaus milden Urteilen beschützt werden.

Angst Nr. 2: Sich blamieren

Mein Floor Judge bei dem Pauperturnier war ein Level 2 Judge. Mein Scorekeeper war auch ein Level 2 Judge. Eine der Coveragepersonen war auch ein Level 2 Judge. Ich wusste also schon lange bevor das Turnier begann, dass kein Fehler, den ich machen würde, unentdeckt bleiben würde.

Falls du Head Judge sein möchtest, musst du dazu bereit sein vor anderen Leuten zu sprechen und die Antwort selbstbewusst zu geben. Nein, du wirst nicht jedes Mal 100% richtig liegen, aber du kannst dich nur, weil du dich nicht blamieren möchtest, nach allen Seiten absichern. Wenn du von Spielern wegen einer Regelfrage an den Tisch gerufen wirst, möchten diese ein klares “Die Regeln funktionieren so und so.” hören, kein “Also, ich bin mir ziemlich sicher, dass das so und so funktioniert.” Du musst selbstbewusst auftreten, auch wenn du dir mit deiner Antwort nur zu 95% sicher bist. Falls die Spieler ein Urteil erhalten von jemandem, der augenscheinlich kein Vertrauen in seine eigenen Aussagen hat, werden diese sich zurecht unwohl fühlen.


Als ich damals Judge wurde, haben mich die Leute im örtlichen Laden auf einmal ganz anders angeschaut. Das hat sich gut angefühlt. Ich fühlte mich respektiert. Ich fühlte mich geschätzt. Aber ich war auch nervös. Ein paar Jahre später hat mir jemand über das Impostor-Syndrom erzählt, aber damals kannte ich den Begriff noch nicht. Ich hatte wegen meines neuen Postens das Gefühl, dass ich nie wieder falsch liegen dürfe – Die Leute erwarteten von mir, dass ich Recht hatte, also musste ich Recht haben. Das führte zu ein paar Situationen, in denen ich fest zu einem Urteil stand, auch wenn es nicht richtig gewesen sein konnte und es führte auch dazu, dass ich mich in Regel- oder Turnierrichtlinienfragen auf die Seite von jemandem stellte, weil derjenige seine Antwort überzeugender vorbrachte als ich. Diese Tendenzen sind offensichtlich nicht gerade optimal oder auch nur im entferntesten hilfreich und die ist auch das Verhalten, das ich seit meiner Zertifizierung versucht habe, am ehesten zu ändern.

Mögliche Lösung Nr. 2: Stell deinen Stolz hinten an.

Es ist möglich, dass du schon lange judgest. Es kann sein, dass du die Comprehensive Rules von hinten nach vorne gelesen hast. Du fühlst dich vielleicht so, dass jeder zu dir aufsieht. Aber du bist immer noch ein Mensch und kannst immer noch Fehler machen – du wirst immer noch Fehler machen. Es hilft niemandem, Angst davor zu haben und es ist bedeutend besser, darauf vorbereitet zu sein und zu wissen, was du tun solltest, wenn ein Fehler passiert.

Wenn du einen Fehler gemacht hast, sage es den Spielern. Falls noch genug Zeit ist, um den Fehler in dem Match zu beheben, in dem er passiert ist, mach das sofort! Falls nicht, sprich mit den Spielern, nachdem das Spiel vorbei ist. Es ist deutlich besser, wenn sie es direkt von dir hören als wenn sie jemand anderes später informiert und damit einen Augenblick erzeugt, indem sie ihren Kopf schütteln, denken, wie blöd Judges doch sind und dann in Zukunft lieber keinen Judge rufen, wenn sie einen bräuchten.

Als ich nach Seattle gezogen war, lief der erste PPTQ, den ich dort gespielt hatte, bis zu einem Spiel, das ein Win-and-In gewesen wäre, sehr gut. Es ist etwas passiert, mit dem mein Gegner nicht vertraut war und auch nach meiner Erklärung war er noch nicht sicher, also schlug ich vor einen Judge zu rufen. Er tat das und ein Judge kam an den Tisch und hörte meinem Gegner zu, wie dieser berichtete was passiert war. Mit diesem Judge habe ich seitdem sehr oft zusammengearbeitet und er ist bekannt dafür, dass seine Urteile immer korrekt sind. Aber bei diesem Urteil lag er leider eklatant falsch. Ich war etwas überrascht, aber habe ihm gesagt, dass ich gerne beim Head Judge Einspruch einlegen möchte. Der Head Judge kam und hörte sich die Geschichte von beiden Seiten an und bestätigte das vorige Urteil. Ich war an diesem Punkt mehr als nur ein kleines bisschen überrascht, aber habe nicht diskutiert, sondern weitergespielt. Sekunden, nachdem das Match vorbei war, setzte sich der Head Judge neben mich und sagte direkt: “Ich lag falsch. Du hattest Recht. Es tut mir Leid. Leider ist das Spiel vorbei und es gibt nichts mehr, was wir tun können, um die Situation zu richten.”

Ich war kurz sprachlos und saß einfach nur da. Nach ein paar Sekunden, habe ich realisiert, dass ich nicht mal wirklich wütend war. Das falsche Urteil war am Ende der Grund dafür, dass ich das Match verloren habe, aber da der Judge so ehrlich und direkt war, konnte ich ihm nicht böse sein. Er war einfach eine Person, der einen Fehler gemacht hatte, welcher leider große Konsequenzen für mein Spielerlebnis hatte. Aber das passiert manchmal eben.

Falls dieser Judge hinterher nicht auf mich zugekommen wäre und seinen Fehler zugegeben hätte, hätte ich das irgendwann rausgefunden und wäre dann wütend gewesen. Ich hätte das anderen Leuten erzählt. Ich wäre versucht gewesen irrational und kleinkariert zu handeln, wie z.B. ihn aufzusuchen und ihn zu beschimpfen. Es wäre für mich ein deutlich negativeres Erlebnis gewesen. Ich finde dieses lauernde negative Erlebnis ausschlaggebend, denn wenn ich mir Sorgen mache, mich vor einem Spieler nicht zu blamieren, geht es mir nur darum, mein zerbrechliches Ego zu schützen. Wenn es dir wirklich um die Spieler geht, denen du hilfst, darfst du dich nicht davor fürchten, hin und wieder einstecken zu müssen, um ein schlimmeres Ergebnis zu verhindern.

Außerdem hat der Judge dadurch, dass er den Fehler eingestanden und mir das korrekte Urteil erklärt hat, geholfen und das Vertrauen zwischen Spielern und Judges zu erhalten, das so wichtig ist. Falls ich den Fehler später bemerkt hätte, wäre ich nicht nur wütend gewesen, sondern hätte auch noch das Gefühl gehabt, betrogen worden zu sein. In dem kurzen Moment, in dem er sich hingesetzt und entschuldigt hat, wollte er auch sicher gehen, dass ich das richtige Urteil verstanden habe und lies mich nicht einfach mit falschen Informationen sitzen. Das Ziel von Judges ist es auch immer aufzuklären, selbst wenn sie dadurch kurzzeitig blöd dastehen. Diese Peinlichkeit wird vorbeigehen, aber einem Spieler falsche Informationen zu geben, könnte negative Nebenwirkungen haben, die noch viel länger bestehen.

Angst Nr. 3: Sich selbst enttäuschen

Auch wenn ich zugebe, dass niemand perfekt ist und kein Judge jede Situation perfekt lösen kann, möchte ich im Herzen doch nach der unerreichbaren Perfektion streben. Wie viele andere habe ich erkannt, dass ich mich selbst strenger bewerte als andere. Das Verlangen, der Eine-der-die-Antwort-kennt zu sein, führt dazu, dass ich sehr hart zu mir selbst bin, wenn ich einen Fehler mache, auch wenn es ein Fehler ist, der leicht zu machen ist.

Mögliche Lösung Nr. 3: Konzentriere dich darauf dich zu verbessern, nicht perfekt zu sein.

Sich selbst immer wieder einzugestehen “Ich bin nur ein Mensch und kann Fehler machen” , kann in manchen Fällen helfen, aber hilft nur bis zu einem gewissen Punkt. Die für mich beste mentale Einstellung ist sich zu konzentrieren, besser zu werden und nicht jetzt perfekt zu sein. Ich muss nicht der klügste Mensch im Raum sein, es reicht, wenn ich aktiv mein Wissen vermehre. Fehler sind es wert, analysiert zu werden, aber nicht sich länger damit zu beschäftigen – Sobald du alles gelernt hast, was du aus einem Fehler lernen kannst, ist es an der Zeit, sich deswegen nicht weiter zu quälen. Wenn du einen Fehler machst, solltest du zuerst herausfinden, was richtig gewesen wäre oder was du tun solltest, wenn du wieder in eine ähnliche Situation gerätst. Falls möglich, korrigiere deinen Fehler. Falls nicht, musst du das akzeptieren und weitergehen. Falls du herausgefunden hast, was du hättest tun sollen und weißt, wie du es das nächste Mal machen solltest, dann hilft es nicht, sich noch weiter mit dem Fehler aufzuhalten. Du fühlst dich dann nur schlecht, um dich schlecht zu fühlen.

Es ist schwer, Fehler nicht zu bedauern, aber es gibt nur weniges, was dir so gut hilft etwas zu verstehen wie einen kolossalen Fehler zu machen. Wenn du einen Fehler machst, konzentriere dich auf das, was du daraus lernen kannst, anstatt dir ständig zu sagen “dass du das hättest wissen müssen”.

Schritte zum Erfolg:

1. Schritt: Erhalte Feedback

Noch bevor das Pauperturnier anfing, habe ich mich mit meinem Floorjudge unterhalten, der ein sehr erfahrener L2 war, und habe ihm gesagt, dass ich gerne Feedback hätte. Das führte zu einer ungezwungenen Stimmung, die ihm erlaubt hat, mehrfach an diesem Tag zu mir zu kommen, um mit mir zu reden und gab ihm auch Rückmeldung über meinen geistigen Zustand. Ich wollte mich verbessern, nicht vortäuschen, dass ich eine Art Superjudge bin, der in jeder Hinsicht makellos ist.

Ich habe eine lange Liste von Dingen, die ich bei Turnieren verbessern möchte, aber die Meinung von jemand anderem kann Gold wert sein. Oft war das nützlichste Feedback, das ich erhalten habe, über etwas, das ich gar nicht auf dem Schirm hatte. Ich fühlte mich zuversichtlich, dass ich die Begrüßungsansprache perfekt gehalten habe. Ich habe später den Scorekeeper gefragt, ob er mir Feedback dazu geben könnte und er hat mich auf Dinge angesprochen, an die ich gar nicht gedacht habe, wie z.B. meine Körperhaltung und Ausstrahlung. Ich habe wortwörtlich meine Hände ineinander verschlungen und habe mein Körpergewicht immer wieder, von einem Bein auf das andere verlagert und hatte das nicht einmal gemerkt. Also obwohl ich die richtigen Dinge gesagt habe, hat jemand, der mich beobachtet hat, keinen gut vorbereiteten Judge gesehen, sondern jemanden, der so nervös war, dass er am liebsten im Erdboden versunken wäre. Es gab keine Spiegel im Turnierraum und hätte mir niemand gesagt, wie ich dabei aussah, hätte ich nie erfahren, was ich gemacht habe.

  1. Schritt: Nutze alle verfügbaren Mittel

Es stehen einem Judge viele Ressourcen zur Verfügung und du behinderst dich nur selbst, wenn du sie nicht nutzt. Den Ask A Judge IRC Chat kann man eigentlich immer nebenbei auf dem Rechner öffnen, auf dem die Turniersoftware läuft. Falls du dann einen Judge Call erhältst, den du nicht sofort beantworten kannst, bitte die Spieler kurz zu pausieren, verlasse den Tisch und frag nach. Die meisten Spieler warten lieber auf eine richtige Antwort als sofort eine Antwort zu erhalten, die eventuell falsch ist.

Falls du zu dem Rechner, auf dem das Turnier geleitet wird, keinen Zugriff hast, kann dein Smartphone alles sein, was du brauchst. Viele Regionen haben Kommunikationsmöglichkeiten wie Discord oder Whatsapp erschlossen. Im deutschsprachigen Raum ist zum Beispiel der DEATCH-Judges-Discord-Server eine große Hilfe. Man kann vom Handy aus darauf zugreifen und direkt Fragen stellen, die extrem schnell beantwortet werden.

Ein einfacher Schritt, den du vor dem Turnier machen solltest, ist sicher zu gehen, dass du Zugriff auf den Oracle-Text und den IPG hast. Es sind viele Apps auf dem Markt, die das bieten. Ich habe ein Android-Gerät, also verwende ich die MTG: Judge Core App und MTG Familiar. Immer wenn ein Spieler eine Regelfrage zu einer Karte hat, schau ich den Oracle-Text der Karte nach, um sicherzugehen, dass ich die korrekte Formulierung kenne. Oft kann ein einziges Wort im Regeltext einen großen Unterschied machen. Deshalb ist es wichtig, den Text vor Augen zu haben, bevor du eine eventuell wichtige Regelentscheidung triffst.

Sicherzugehen, dass du den IPG griffbereit hast, kann auch toll sein. Auch wenn du kein Smartphone hast, kannst du ihn ausdrucken, um ihn beim Turnier dabei zu haben –  Wusstest du, dass der IPG derzeit nur 30 Seiten hat? Es kann sehr hilfreich sein, wenn man die Möglichkeit hat, kurz den Tisch zu verlassen, um den exakten Text nachzulesen, wenn du dir nicht sicher bist, ob der aktuelle Regelverstoß als Mulligan Procedure Error oder als Hidden Card Error gilt.

Die offensichtlichste Quelle für Informationen (obwohl sie immer gerne vergessen wird) sind natürlich andere Judges, die mit dir zusammen bei dieser Veranstaltung judgen. Falls du alleine judgest, kannst du immer noch auf Discord oder den Judge-Chat zurückgreifen, aber sobald du mit einem anderen Judge zusammenarbeitest, lohnt es sich, mit ihm zu diskutieren, egal welches Judgelevel ihr habt. Es kann manchmal schon reichen, einfach nochmal etwas jemand anderem zu erklären, um zu einem Schluss zu kommen, der dir sonst entgangen wäre. Ich habe schon oft erst beim Erklären einer Situation erkannt, dass ich ein Detail bisher ganz übersehen hatte.

Die meisten L1 sind mit der Idee vertraut, die Spieler zu bitten, das Spiel kurz zu unterbrechen, während sie etwas mit dem Head Judge besprechen. Ich schlage vor, dass du auch als Head Judge nicht das Gefühl hast, du dürftest dich nicht mit einem Floor Judge besprechen. Es ist deutlich besser, wenn du deinen Stolz hinten anstellst und einem anderen Judge gegenüber zugibst, dass du dir mit deinem potentiellen Urteil nicht zu 100% sicher bist, anstatt einfach ein Urteil zu fällen, dass eventuell falsch ist. Nutze alle Ressourcen, die dir zur Verfügung stehen, um deinen Spielern die bestmögliche Erfahrung zu bieten.

  1. Schritt: Nimm dir Zeit, um mit Spielern eine Verbindung aufzubauen.

Es kann manchmal sehr unpersönlich wirken, wenn du versuchst, ein professionelles und autoritäres Image zu erzeugen. Bei diesem Turnier musste ich einem Spieler erklären, dass sein Match schon vorbei war, bevor es überhaupt angefangen hat, da bei seinem Deckcheck gleich zwei unterschiedliche Probleme aufgetreten sind. Er war eher Gelegenheitsspieler, das Format war neu für ihn und verständlicherweise deprimiert. Nachdem ich den offiziellen Teil hinter mir hatte, habe ich mich zu ihm gesetzt und angeboten, ihm zu helfen, sein Deck in neue Hüllen zu packen. Wir saßen ein paar Minuten einfach nur da und haben geredet. Danach ging es ihm deutlich besser. Ich war währenddessen nicht zwischen den Tischen unterwegs, aber ich bin mir sicher, dass die Zeit gut investiert war.

Es wird oft den Fall geben, dass ein Spieler nicht mit deinem Urteil einverstanden ist, eventuell ist er sogar wütend, wenn es nicht nach ihm geht. Dann ist es eine gute Idee, dem Spieler zu sagen, dass du dein Urteil gerne nach der Runde mit dem Spieler besprichst. Das erlaubt ihm, seine Wut in einer ruhigeren Umgebung rauszulassen und erlaubt dir gleichzeitig, die Einzeilheiten eines möglicherweise komplizierten Urteils zu erklären.

Ein Vieraugengespräch mit einem Spieler kann dabei helfen, wieder eine zwischenmenschliche Beziehung zwischen einem Spieler und der Judgegemeinschaft aufzubauen. Ich kenne Leute, die sich beim Gedanken daran, einen Judge zu rufen, unwohl fühlen und ich treffe wiederholt Leute, die sich dafür entschuldigen, wenn sie dich an den Tisch gerufen haben. Sich einfach mal mit ihnen an einen Tisch setzen und sich mit ihnen zu unterhalten, zeigt ihnen, dass du auch ein Mensch bist und ihnen helfen möchtest.

Zusammenfassung

Im Großen und Ganzen ist der Umgang mit den eigenen Fehlern nur eine Sache der Einstellung. Es gibt Schritte, die man sofort unternehmen kann, wenn man den Fehler bemerkt (z. B. die richtige Antwort herausfinden, die Spieler informieren, so viel rückgängig machen wie möglich), aber die dienen meist nur der Schadensbegrenzung. Wie du diese Fehler verdaust ist wahrscheinlich sogar wichtiger, da daraus hervorgeht, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass du ähnliche Fehler zukünftig machst.

Aber entgegen aller guter Vorsätze wirst du wieder Fehler machen (und das ist in Ordnung). Fehler machen ist nicht das Ende der Welt, solange du daraus lernst. Meiner Meinung nach sind die einzigen Fehler, über die man nachgrübeln sollte, diejenigen, die man mehr als einmal macht. Wenn du einen Fehler machst, folge einfach diesen 5 Schritten:

Schritt 1: Erkenne deinen Fehler

Schritt 2: Finde heraus, was du hättest stattdessen tun sollen.

Schritt 3: Falls möglich, behebe den Fehler.

Schritt 4: Finde heraus, was du daraus lernen kannst.

Schritt 5: Mach weiter!

Bin ich ein perfekter Judge? Definitiv nicht. Aber bin ich ein besserer Judge als ich bei meinem letzten Tunier war? Auf jeden Fall! Und das treibt mich an, mich weiter zu verbessern.