Über den Umgang mit Feedback im täglichen (Judge-) Leben – Teil 2

Dieser Artikel stammt von Ivan Petkovic

Dieser Artikel stammt von Ivan Petkovic

Willkommen zu Teil 2 dieser Feedback-Artikelserie! Ich hoffe, ihr mochtet den Einleitungsteil. Wie immer könnt ihr eure Ideen und Gedanken mit mir in den Kommentaren teilen oder mir direkt schreiben. Falls ihr den letzten Teil verpasst habt, könnt ihr ihn hier finden.

Kommuniziere deine Beobachtungen aus der “Ich-Perspektive”

Das ist normalerweise eine einfache Aufgabe, aber lasst uns für eine Sekunde den Fokus darauf legen: “Beobachtungen kommunizieren” bedeutet, die Fakten, die passiert sind, zu adressieren. Dies aus der “Ich-Perspektive” zu tun bedeutet, sowohl die Beobachtung als auch das Feedback kommen von mir und nicht von einer undefinierten Gruppe “Wir” oder “Sie”. Die Philosophie dahinter ist, dass ich und nur ich die Beobachtung gemacht habe und jeder Widerspruch mit mir diskutiert werden sollte. Beobachtung bedeutet, ich habe Beispiele und Fakten (keine Interpretation davon, was passiert ist). Zum Beispiel: “Diesen Morgen warst du 10 Minuten zu spät.” ist eine konkrete, faktenbasierte Beobachtung. “Du bist immer zu spät” ist nicht präzise (und wahrscheinlich unwahr, da sie mindestens einmal pünktlich gewesen sein müssen). Gleichermaßen sind “Du bist faul” oder “Dir ist egal, ob du pünktlich bist” keine Beobachtungen. Es sind Interpretationen von jemandes Charakter und enthalten möglicherweise Beurteilungen.

Selbst wenn du glaubst, dass die Person eine bestimmte Eigenschaft dieser Art besitzt, wird diese Eigenschaft zu adressieren nicht zu einem willkommenen Feedback führen. Etwas, was du tun kannst, ist, ein konkretes Beispiel zu erarbeiten und die Dinge außerhalb der Person zu formen (auch bekannt als Umgebung), um deine Bedürfnisse zu erfüllen (auch bekannt als Vorschlag oder Anfrage). Aber ich presche zu weit vor und so machen es die meisten Menschen, wodurch Feedback mehr als die Quelle eines Konflikts gesehen wird, anstatt als Geschenk.

Versuche, vor dem Verstanden werden, zuerst zu Verstehen

Dieser Schritt ist kritisch, um eher mittelmäßiges Feedback in großartiges Feedback zu verwandeln. Bis jetzt haben wir unsere faktenbasierte Beobachtung ausgedrückt, die keine Emotionen oder Interpretationen enthält. Das ist wichtig für den zweiten Schritt. Wenn wir Emotionen in den vorhergehenden Schritt mit einschließen, wird es höchstwahrscheinlich das Bedürfnis zur Verteidigung in der anderen Person wecken. Eine defensive Person verschließt sich, was die Kommunikation verhindert, weil sie das Bedürfnis empfindet, sich vor der Person schützen zu müssen, die das Feedback gibt. Damit “Verstehen versuchen” funktioniert, muss die Person gewillt sein, zu kommunizieren und bereit sein, ihre eigene Wahrnehmung zu teilen.

Aber warum solltest du überhaupt versuchen zu verstehen? Und warum ist es so wichtig, das zu tun, bevor du verstanden wirst?

Nun, ich nehme an, du weißt nicht immer alles über die andere Person, die Situation und den Kontext der Situation. Und bisher, nach einem Jahrzehnt Arbeit mit Leuten innerhalb und außerhalb des Judgeprogramms, muss diese Annahme noch widerlegt werden. Recht häufig, nachdem ich zu Verstehen versucht habe und von der Person verstanden wurde,  wurde die Situation gelöst und mein Feedback war nicht mehr weiter notwendig. Wenn du nichts anderes aus der Situation heraus bekommst, dann gibt sie dir mehr Information und mehr Fakten, welche du später benutzen kannst um bessere, passendere Vorschläge zu machen.

Ich hoffe, ich habe euch überzeugt, dass es wichtig ist, zuerst zu verstehen. Falls nicht, probier es einfach mal aus Spaß aus und vielleicht bemerkst du den Unterschied. Unglücklicherweise ist Verstehen nicht ganz so einfach, wie es klingt. Warum ist das so? Normalerweise nehmen wir an, richtig zu liegen und mit dem “Verstehen versuchen” gehen wir das Risiko ein, widerlegt zu werden. Also kommunizieren wir gewöhnlicherweise durch eine Feststellung. Aber, um zu verstehen, müssen wir Fragen stellen. Die richtigen Fragen zu stellen ist allerdings knifflig. Man könnte einen ganzen Artikel über das Fragen stellen schreiben. Eine Zusammenfassung würde so aussehen:

• Stelle Fragen, anstatt Feststellungen zu machen.

• Vermeide “Warum”-Fragen. Diese gehören zu den persönlichsten Fragen und wenn sie nicht mit Vorsicht genutzt werden, können sie die Person dazu bringen, zu denken, dass sie sich rechtfertigen muss. Das wiederum könnte dazu führen, dass die Person defensiv wird.

Fragen zu stellen ist wirklich mächtig, da Leute selten – wenn überhaupt – wütend werden, dass sie gefragt werden. Der letzte Trick ist es, diesen Schritt nicht wie ein Verhör oder ein Einstellungsgespräch klingen zu lassen. Das ist knifflig, da es nicht dadurch erreicht wird, in dem man einfach die richtigen Fragen stellt, sondern, wie man die Fragen stellt. Ihr habt wahrscheinlich keine Erfahrung damit, verhört zu werden (falls doch, bitte kontaktiert mich), aber womöglich hattet ihr ein Einstellungsgespräch. In einem schlechten Einstellungsgespräch hat die leitende Person eine Liste von Fragen und ist nicht wirklich ansprechbar für die interviewte Person. Die Kommunikation ist für gewöhnlich in eine Richtung und monoton. In einem gutem Einstellungsgespräch lässt der Befrager die andere Person sich gut fühlen. Sie bemerken, dass der Gesprächspartner an den Dingen interessiert ist, die sie zu sagen haben, ihnen tatsächlich zuhört und eine Art Verbindung etabliert. Ein guter Interviewer, wie ihr, will verstehen ohne die andere Person in die Defensive zu drängen, während er ihnen gleichzeitig das Gefühl gibt, dass er tatsächlich daran interessiert ist, was sie zu sagen hat. Es tut mir leid, es sagen zu müssen, aber dieser letzte Teil kommt mit Erfahrung und meistens durch Versuch und Irrtum. Aber selbst wenn du nicht vermeiden kannst, Fragen wie in einem Einstellungsgespräch zu stellen, wird es immer noch wertvoller sein, als gar keine Fragen zu stellen.

Am Ende hat die neu gewonnene Information möglicherweise deine Interpretation, was du ursprünglich beobachtet hast, verändert und dein Feedback modifiziert oder hat es gar komplett unnötig gemacht. Aber falls du immer noch mit dem Feedback fortfahren musst, gehe zum nächsten Schritt. Unabhängig vom Endergebnis, danke ich immer der anderen Person für ihre Hilfe, die Situation besser zu verstehen. Falls du sichergehen willst, dass die andere Person weiß, was du verstanden hast, kannst du ihre Antworten wiederholen. Dies schließt die Feedbackschleife, welche im Detail betrachtet wird, wenn wir uns dem Thema widmen, wie man Feedback annimmt.

Kommuniziere deine Bedürfnisse

Das mag zunächst seltsam und künstlich klingen, aber das liegt daran, dass wir nicht gewohnt sind, Bedürfnisse zu kommunizieren (zumindest noch nicht). Die Philosophie hinter diesem Schritt ist es, klarzustellen, dass euch etwas fehlt und ihr die andere Person um Hilfe fragt, euch das zu geben, was euch fehlt. Die Kernaussage, die ihr senden müsst, ist, dass ihr Hilfe sucht, und nicht verlangt, euer Bedürfnis zu erfüllen. Und so einfach ist das. Ein Beispiel: “Ich benötige ein pünktliches Erscheinen meiner Judges, damit ich genug Zeit für ein Team-Briefing habe”.

Wie ich schon erwähnt habe, kann es sich zuerst seltsam anfühlen, dies zu machen. Aber es wird mit Übung besser. Weiterhin, euer Bedürfnis zu kommunizieren hilft, der anderen Person zu verstehen, warum ihr Feedback gebt. Brauchen und Wollen sind zwei unterschiedliche Dinge. Etwas wollen ist eine Lösung für euer Bedürfnis, aber es ist nicht die einzige Lösung oder die Lösung, die die andere Person erbringen will oder kann. Euer Bedürfnis zu kommunizieren öffnet den Raum, um zusammen eine Lösung zu finden, mit der die andere Person tatsächlich zufrieden ist.

Um die Länge des Artikels in einem sinnvollen Bereich zu halten, reden wir über das Erhalten von Feedback im nächsten Artikel!

Bis zum nächsten Mal, bleibt gesund, bleibt dran und übt weiter!